Donnerstag, 25. April 2019

Es brennt

In diesem Beitrag geht es um Feuer, Emanzipation und Freiheit.
-> Warnung wegen aktuell & politisch


In vergangener Zeit hat es gebrannt. Tut es immer auf dieser Welt irgendwo, mal grossflächiger, mal dezenter, aber in den letzten Tagen sind einige Ereignisse natürlich aufgrund von fleissiger Medienarbeit mal wieder besonders ins Zentrum gerückt. Logisch: ich spreche von Frankreich. Da hat die geschichtsträchtige, von mir in erster Linie mit Walt Disney in Verbindung gebracht werdende römisch-katholische Kirche gebrannt, welche im Zentrum von Paris steht und deren Namen ich nicht niederschreiben werde aufgrund von französischen Buchstabenergänzungen, deren korrekte Anwendung mir nicht bekannt ist, aber jeder kennt ihn ja, unsere Dame, auf Deutsch übersetzt.

Wenn so etwas geschieht, tauchen natürlich erstmal viele W-Fragen auf. Wer ist verantwortlich, wieviele Leute sind gestorben, warum, wann, wie, war da mal wieder ein Attentat am Start oder irgendein deutschsprachiger Tourist zugegen, der zufällig genau an dem Tag eine Besichtigung erleben wollte und diese dann leider aufgrund von Feuerausbruch nicht machen konnte. So. Können auf all diese Fragen nun verbindliche und deeskalierende Antworten gegeben werden, müsste doch eigentlich - so könnte man meines Erachtens nach meinen - ein kollektives Aufatmen stattfinden. Dem war aber - so mein Eindruck - nicht so. Stattdessen hat gar Ex-Präsident Obama auf Instagram eine Beileidsbekundung verfasst, in welcher es ihm hauptsächlich darum zu gehen schien, anzudrohen, eine baldige Rekonstruktion würde "in unserer Natur liegen". Hm. Ich weiss jetzt nicht genau, wen er mit "uns" meint, aber schön zu lesen, dass es da offenbar einen unerschütterlichen Glauben an ein Kollektiv gibt, für das alles andere als ein Rekonstruktionsplan nicht infrage kommt.

Ich frage mich bei der Gelegenheit halt schüchtern, wie es denn da so mit andern Ländern aussieht. Gebäuden, die nicht durch einen "blöden Zufall" kaputtgehen, sondern durch mutwillige Zerstörung. In Ländern, die vor dem Feuer nicht unbedingt als beliebte Ferienziele durchgegangen sind, aber trotzdem schön waren oder sind. Und in Ländern, für die nicht auf einmal Millionen von Menschen aufstehen und sich zu horrenden Spenden bereiterklären. Die Rede ist von Syrien, klar, Jemen, Sudan, Libyen. Die Liste ist endlos. Die Rede ist aber auch von einem Angestellten in einem der vielen Callcentern Berlins, sagen wir mal Vodafone, der seinen Job verliert, weil er nie pünktlich zur Arbeit erscheint. Dieser Mensch bekommt keine Millionen gespendet, um seine Miete zu bezahlen. Obwohl er vielleicht drei Kinder zu versorgen und eine unauskurierte Depression hat, wegen der es ihm schwerfällt, frühzeitig aufzustehen, weiss man ja nicht.

Im Falle von der französischen Kirche handelt es sich nach aktuellem Kenntnisstand ebenfalls um einen Arbeitsfehler, weswegen es zu einem Brand kam. Arbeiter, Brandschutzgesetz missachtet, Kippenstummel irgendwo zwischen Glocke und Gerüst in ungünstigem Wickel weggeschnippt. Der kleine Unterschied zu dem fiktiven Fallbeispiel des Callcenter-Agenten in Berlin: beschädigt wurde ein historisches Gebäude, keine leibhaftige Familie. Darum fliesst jetzt Geld. Weil dieses Gebäude anscheinend vielen Leuten wichtiger ist als das Schicksal von, nennen wir ihn mal Heiko S. aus Zehlendorf. Ganz zu schweigen von all den Kindern in Kriegsgebieten, die verhungern, weil Krieg ist.


So weit, so gut bzw. schlecht. Was man sich meiner Meinung nach dabei aber mal vor Augen führen sollte, ist die Tatsache, dass in Gesellschaften, wo der Brand einer Kirche ohne nennenswerte Konsequenzen mit Trauer aufgenommen und gefühlte 90% des restlichen Weltelends gepflegt ignoriert wird, fleissig über Dinge wie Feminismus diskutiert wird. Das ist schön, denn Feminismus ist meiner Meinung nach wichtig. Als noch wichtiger jedoch betrachte ich das Konzept der Emanzipation, und dieses schliesst nicht nur Frauen mit ein, sondern auch Männer. Leute, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen. Meinetwegen Tiere. Zu lernen, sich selber ernst zu nehmen und gewisse Rechte für sich beanspruchen zu dürfen, ohne als durchgeknallt und rebellisch zu gelten, sollte eigentlich das vorantreibende Ziel sein. Frauenquoten und genderfaire Rechtschreibregeln mögen am Adjektiv lösungsorientiert herumkratzen. Dass es damit so einfach getan ist, glaube ich indes nicht.

Ein Zitat Buddhas lautet: "Wenn befleckte Geisteszustände verschwinden, kann sich nur Freude und Wonne entwickeln, Geistesruhe, Achtsamkeit und klares Gewahrsein. Und das ist ein glücklicher Zustand. "

Dem würde ich an dieser Stelle einfach mal klar zustimmen. Am Ende des Tages entscheidet nur jemand darüber, was wichtig ist: man selbst. Ein Heiko S. aus Zehlendorf hat nicht die Möglichkeiten, nach Paris zu fahren und sich freiwillig als Helfer beim Wiederaufbau zu melden, geschweige denn in ein Kriegsgebiet zu reisen und als vorurteilsfreier Arzt für unterbesetzte Krankenhäuser einzuspringen. Und selbst wenn er sie hätte: vielleicht ist er ein Idiot, der absolut keine Lust hat, sich für irgendjemanden einzusetzen, der rein gar nichts mit ihm zu tun hat.

Bei den meisten Menschen, die mir begegnet sind - und das sind einige, kann man schon so sagen - habe ich festgestellt, dass ein Interesse in erster Linie dann relevant behandelt wird, wenn eine eigene Betroffenheit in irgendeiner Form vorhanden ist. Ist das schlecht? Nö. Warum auch. Engagement wird dann ernst zu nehmend, wenn eine engagierte Person es ernst meint. Alles andere können auch die lieben Medien für uns übernehmen. Insofern: wenn die aktuelle Problemlage, in der man sich befindet, gerade darin besteht, dass das W-Lan mal wieder nur holprig funktioniert in der Wohnung, dann ist das eben so. Ein unbefleckter Geisteszustand kann in der Lage sein, eine Lage unbefleckt zu beurteilen. Einfacher gesagt als getan, logo - aber mehr als sagen bzw. schreiben kann ich ja hier nicht, also war's das auch erstmal wieder meinerseits.



Dies ist der Blog von Laura Wohnlich. Sie schreibt, macht aber auch andere Dinge. Auf diesem Blog geht es um Kunst, Literatur, Poesie, Politik und ganz gerne auch mal einfach nur darum, die Seele baumeln zu lassen. Auf diesem Blog geht es darum, "den Helden in sich zum Vorschein zu bringen". Man kann noch lange darauf warten, dass Hero auf irgendwas angeritten kommt und einem das Leben zurechtrückt. Sei dein eigener Held und reiss dem Deppen der glaubt, er wisse es besser als du, die Zügel aus der Hand!